In der 27. Folge des Kanals die Pflege im häuslichen Umfeld geht es um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.
Grundsätzlich hat eine Angestellte oder ein Angestellter im Pflegefall, also wenn sie oder er z.B. seine Eltern unterstützen will oder muss, Rechte.
Nahe Angehörige haben – egal wie groß das Unternehmen ist in dem sie arbeiten – die Möglichkeit, bis zu 10 Arbeitstage der Arbeit ohne Ankündigungsfrist fernzubleiben, um akute Pflegesituationen zu organisieren. Für diese Zeit ist Lohnersatz vorgesehen. Die Höhe des Pflegeunterstützungsgeldes richtet sich nach dem individuellen Verdienst des pflegenden Angehörigen. Grundsätzlich fängt die Pflegeversicherung den Verdienstausfall zu einem Großteil auf. So zahlt die Pflegekasse dem pflegenden Angehörigen bis zu 90 % seines tatsächlich ausgefallenen Nettolohns.
Wenn ein Beschäftigter eine Zeit lang ganz oder teilweise aus dem Job aussteigen möchte (Pflegezeit beansprucht) kann er das bis zu sechs Monate tun. Für diese Zeit kann ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie beantragt werden, um Einkommensverluste auszugleichen. Um einen nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase zu begleiten, kann eine dreimonatige vollständige oder teilweise Freistellung genommen werden. Für die Betreuung eines minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen besteht ebenfalls die Möglichkeit einer teilweisen oder vollständigen Freistellung bis zu sechs Monaten. Die Betreuung muss nicht zwingend in häuslicher Umgebung erfolgen. Es gibt allerdings keinen Rechtsanspruch gegenüber kleinen Arbeitgebern mit 15 oder weniger Beschäftigten. Die Ankündigungsfrist beträgt 10 Tage.
Wenn sechs Monate nicht ausreichen kann Familienpflegezeit beantragt werden.
Dabei können bis zu 24 Monate lang die Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduziert werden. Auch hier besteht Anspruch auf ein zinsloses Darlehen. Für die Betreuung eines minderjährigen pflegebedürftigen besteht die Möglichkeit einer teilweisen Freistellung von bis zu 24 Monaten. Es gibt keinen Rechtsanspruch gegenüber kleinen Arbeitgebern mit 25 oder weniger Beschäftigten. Die Ankündigungsfrist beträgt 8 Wochen.
Für alle diese Auszeiten gilt: Es besteht für Beschäftigte von der Ankündigung bis zum Ende der Auszeit Kündigungsschutz.
Laut Bericht des unabhängigen Beirats für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf 2019 kann davon ausgegangen werden, dass rund 68 Prozent der Pflegenden auch erwerbstätig sind. Nur ein Drittel aller Pflegebedürftigen wird nicht ambulant sondern stationär in Heimen und Residenzen versorgt. Deshalb spielt die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege eine große Rolle im Kontext der Betreuung und Pflege im häuslichen Umfeld. Betreuung und Pflege ist häufig schwer planbar, erfordert viel Flexibilität und bringt für die pflegenden Angehörigen eine erhebliche Zukunftsunsicherheit mit sich. Hier ist Unterstützung von den Arbeitgebern wichtig und Gold wert damit sich der Arbeitnehmer nicht noch zusätzlich Sorge um seinen Job machen muss wenn bedingt durch z.B. einen kurzfristigen Arztbesuch mit dem Papa, Arbeitszeit versäumt wird. Nicht selten folgt aufgrund der Doppelbelastung eine Krankschreibung oder ein Teil- oder Komplettrückzug aus dem Job. Nicht nur für den Arbeitnehmer selbst sondern auch für das Unternehmen ein wirtschaftliches Risiko
Helfen können Arbeitsbedingungen mit Vereinbarkeitsangeboten die unterstützen, Zeitkonflikte und psychische und physische Belastungen zu bewältigen. Dadurch werden Arbeitskraft und Motivation im Unternehmen gehalten, die Fluktuation reduziert und in der Folge Rekrutierungs- und Einarbeitungskosten vermieden.
Leider sind in beinahe 60 Prozent der Unternehmen betriebliche Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Pflege nicht existent. Grund dafür ist oft die Annahme, dass die Umsetzung betriebsinterner Angebote zu aufwändig oder zu teuer sei. Vielen Firmen fehlt aber schlicht und ergreifend auch das Know-How wie Beides, Job und Pflege unter einen Hut zu bekommen sind.
Paradoxerweise ist auf der anderen Seite der überwiegenden Anzahl der Firmen Familienfreundlichkeit wichtig. Gehört die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf nicht dazu, doch, natürlich!
Was ist also konkret zu tun? Angestellte die akut Pflege selbst managen müssen, brauchen die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit flexibel zu gestalten, um ihren Job mit den eher unflexiblen Pflegeaufgaben zu Hause vereinbaren zu können. Arbeitszeitgestaltung und Arbeitsorganisation stehen also im Zentrum der Maßnahmen. Arbeitszeitkonten, Gleit- und Teilzeitmodelle, Homeoffice-Lösungen, Vertrauensarbeitszeit, vorübergehende Reduzierung von Arbeitszeiten, Sonderurlaub, Teamansprachen, Notfallpläne und Vertretungsregelungen helfen. Wichtig ist also grundsätzlich die Möglichkeit, in Notfällen kurzfristig von der Arbeit fernbleiben zu können. Außerdem hilft die Berücksichtigung der Pflegesituation bei Anwesenheitspflichten, Meetings und der Urlaubsplanung.
Natürlich ist das nicht immer leicht umsetzbar für einen Arbeitgeber, die Vorteile liegen aber trotzdem auf der Hand und überwiegen: Familienfreundlichkeit ist ein erheblicher Faktor im Wettbewerb um qualifizierte Beschäftigte, man wird als attraktives Unternehmen wahrgenommen. Eine höhere Zufriedenheit der Arbeitnehmer sorgt für erwartbar bessere Produktivität und Kreativität. Die Fluktuation wird verringert da ganz natürlich eine höhere Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber entsteht. Das sorgt wie bereits gesagt für weniger Zusatzkosten bei Recruiting und Onboarding. Besonders wichtig ist, dass weniger Know-How verloren geht wenn die pflegenden Angestellten im Unternehmen gehalten werden. Als Letztes ist auch mit weniger Fehlzeiten und krankheitsbedingten Ausfällen zu rechnen.
Arbeitgeber sollten proaktiv das Thema betriebsintern sichtbar machen, Beschäftigte melden sich nämlich in den wenigsten Fällen selbst wenn es ein Problem mit der Vereinbarkeit gibt. In diesem Zusammenhang gibt es diverse Möglichkeiten, hier einmal einige aufgelistet:
Die Maßnahmen zur Vereinbarkeit sollten transparent und umfassend auffindbar sein und über verschiedene Wege kommuniziert werden. Informationsveranstaltungen mit Hilfe externer Anbieter können wichtiges Wissen vermitteln.
Banale Druckpublikationen für die Belegschaft – zu organisatorischen, finanziellen und rechtlichen Fragen der Betreuung von Angehörigen sowie Unterstützungs- und Beratungsmöglichkeiten vor Ort – geben den Beschäftigten einen schnellen Überblick.
Ein Ansprechpartner oder Ansprechpartnerin im Unternehmen wird gesucht die beratend zur Verfügung steht, um passende Pflege und Betreuungslösungen zu suchen. Es gibt die Möglichkeit einer Pflegelotsenausbildung, mit der der Mitarbeiter/ die Mitarbeiterin Wissen lernt, um das Unternehmen und die Beschäftigten zu allen Fragen der Pflege zu unterstützen.
In turnusmäßigen Mitarbeitergesprächen kann das Pflegethema angesprochen und über interne Angebote informiert werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Führungskräfte die diese Gespräche durchführen fachlich durch – meist einen externen Dienstleister – vorbereitet wurden.
Informationen und Angebote zur finanziellen Unterstützung sind für die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege: Neben den gesetzlichen Regelungen können auch Unternehmen mit zinslosen Darlehen, Vorschüssen, direkten Geldzahlungen entlasten. Teilweise gibt es sogar spezielle „Familienfonds“, aus dem Beschäftigte Geld erhalten können.
Es ist also Vieles machbar, es scheint aber so, dass Unternehmen aktuell noch zurückhaltend sind und fachlichen Support benötigen, um in die Umsetzung zu kommen.