Saarländischer Pflegebeauftragter

Auszug, das vollständige Interview finden Sie im Buch:

CP: Raus aus dem stationären Umfeld, rein ins ambulante, ins häusliche Umfeld. Sehen Sie nicht die 24-Stunden-Branche als einen extrem wichtigen Stützpfeiler unseres Systems an?

Bild: saarland.de

JB: Wir erleben zurzeit durch die Corona-Krise, dass die osteuropäischen Betreuerinnen nach Hause wollen oder müssen und keine neuen nachkommen. Daran sieht man, wie empfindlich diese Schwachstelle ist. Ich halte es für einen gesellschaftspolitischen Skandal, dass man sich in diesem Punkte nicht mehr kümmert. Das fängt damit an, dass man schon gar kein vernünftiges Zahlenwerk hat. Man weiß gar nicht, wie viele Haushalte betroffen sind, man schätzt so über den Daumen. Da kommt es auf 100.000 mehr oder weniger nicht an. Das sagt schon alles. Wenn ich nicht weiß, mit welchen Zahlen ich es zu tun habe, kann ich auch nicht beurteilen, ob ich etwas als Versicherungsleistung abbilde oder es den Leuten überlasse, weil sie es selbst zu organisieren haben. Es fehlt also schon an Grundlagen. Dort muss sich was tun.

CP: Was muss ich denn da konkret tun?

JB: Beispielsweise kann man prüfen, wenn man ordentliche Zahlen hat, was können wir als Versicherungsleistung in der Pflegeversicherung übernehmen? Inwieweit kann das von dort finanziert werden? Welche Auswirkungen hat das auf die Beitragshöhe? Wäre das noch vertretbar? Zusätzlich könnte man überlegen, das Österreichische Modell zu prüfen, bei dem Selbstständige tätig sind. Dass ist ein Modell, das man wenigstens mal betrachten kann, was daraus wird, wage ich nichts zu sagen. Als Einzelkämpfer habe ich nicht diese Übersicht. Aber es ist es wert, das mal zumindest zu prüfen!

CP: Ganz einfach ausgedrückt Ihrerseits, wie wichtig ist denn die 24-Stunden-Betreuung in unserem Portfolio, um die Menschen ambulant versorgen zu können?

JB: Die Wichtigkeit zeigt sich daran, dass dann, wenn dieses System zusammenbricht, die Pflegebedürftigen in viel höherem Maße in Heime kommen.

CP: Da gibt es aktuell keine Kapazitäten.

JB: Wir können dann in jedem Nest ein neues Heim errichten und brauchen noch mehr Personal.

CP: Das kann aber nicht die Lösung sein, weil die Gesetzgebung ja ganz klar die Maxime vorgibt, ambulant vor stationär.

JB: Wegen dieses Grundsatzes muss man alles tun, damit die ambulante Pflege auch gewährleistet ist. Da muss man eben prüfen, wie kann man, finanzierbar, eine 24-Stunden-Betreuung gewährleisten.

CP: Da wäre ja ein Ansatz, dass man die Finanzierungsmöglichkeiten für die zu Pflegenden mit den Sachleistungen gleichsetzt. Sprich: Aktuell kann einer, der 24-Stunden-Betreuung in Anspruch nimmt, nur das Pflegegeld als Finanzierungs-möglichkeit heranziehen. Gäbe es ein Geschäftsmodell, bei dem der 24-Stunden-Anbieter eine Kassenzulassung hat, könnte der Kunde auch die Sachleistungen zur Co-Finanzierung heranziehen. Dadurch wäre der Eigenanteil in einem völlig erträglichen Rahmen und eine deutlich größere Zielgruppe könnte zu Hause versorgt werden. Aus meiner Sicht zahlt das u.a. direkt auf die Chancengleichheit ein.

JB: Das ist eine dieser Möglichkeiten. Ich sehe nicht, dass das bisher annähernd durchgeprüft worden ist.

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Der saarländische Landtag hat 2013 einen Pflegebeauftragten gewählt, der für die Belange der Pflege als Ansprechpartner zur Verfügung steht. In der Sozialgerichtsbarkeit machte sich Jürgen Bender in den fast zwölf Jahren als Präsident des Landessozialgerichts des Saarlandes einen Namen.

In einem Informationsaustausch mit den Trägern der Pflege und mit den die Pflegetätigkeit überwachenden Organen ist der Landespflegebeauftragte für eine Weiterentwicklung und Optimierung der Pflege im Saarland zuständig.

Des Weiteren wirkt er darauf hin, dass die Belange pflegebedürftiger Menschen, deren Angehöriger und der die Pflege ausführenden Personen beachtet werden, um so eine breitere Akzeptanz und Wertschätzung in der Gesellschaft zu erreichen.