Lars Kilchert, Gründer und Geschäftsführer von pflege.de

Auszug, das vollständige Interview finden Sie im Buch:

CP: Wie nehmen Sie aus Ihrer Perspektive die Branche wahr, welche Entwicklungen erwarten Sie?

LK: Wir sehen ja seit Jahren den Stau im Bereich der Digitalisierung, obwohl diese eigentlich helfen würde, eines der Kernprobleme zumindest abzumildern, den Personalmangel. Ich glaube, das ist die zentrale Herausforderung, die leider auch die nächsten Jahre noch andauern wird. Viele Innovationen sind noch nicht am Markt angekommen. Ich wundere mich, dass nicht noch stärker an der Digitalisierung gearbeitet wird. Das liegt teilweise auch am Gesetzgeber, der es nicht noch stärker honoriert und ermöglicht.

Wir sehen in Zeiten von Corona, das erstmalig auch gewisse Dinge möglich sind, die zur Zeitersparnis führen. Digitale Lösungen die den zeitaufwendigen Termin vor Ort ersetzen, Videoberatung oder Schulungstermine per Video. Diese Dinge sollten noch stärker vorangetrieben werden.

Digitalisierung steht bei den verantwortlichen Managern auch nicht wirklich im Fokus. Das ändert sich jetzt vielleicht mit dem Generationenwechsel.

CP: Von fehlender Digitalisierung abgesehen, welche Herausforderungen erkennen Sie noch?

LK: Die Komplexität ist einfach gigantisch und das bestehende System kann Pflegebedürftigen und deren Angehörigen nicht alle relevanten Informationen zur Verfügung stellen. Wenn man sich nicht wirklich tagelang oder wochenlang in das Thema Pflege einarbeitet, wird man es nie als Ganzes verstehen, wird seine eigenen Ansprüche nicht erkennen, und wird Hilfs- und Beratungsangebote nicht ausfindig machen können.

Einige politische Vorhaben gehen bereits in die Richtung, die wir durchaus auch unterstützen. Stichwort ist hier „Pflegebudget“ oder „Entlastungbudget“ die eingerichtet werden sollen, um mehr Wahlfreiheit und Gestaltungsfreiheit zu bieten. Aber eben auch um die Komplexität zu reduzieren, das sind die richtigen Ansätze.

Leider befürchte ich, dass aufgrund von Corona, sich alles noch einmal um mehrere Jahre verzögern wird. Es stehen dann auch Wahlen an, deshalb wird sich erst mal nichts tun. Das ist zumindest mein Bauchgefühl.

CP: Was verstehen Sie unter dem Begriff „Pflegebudget“?

LK: Wenn man pflegebedürftig ist und ein Pflegegrad vorliegt, gibt es bekanntlich unterschiedlichste Finanzierungs-Töpfe.

  • Pflegegeld,
  • Pflegesachleistung,
  • Verhinderungs- und Kurzzeit-pflege,
  • Entlastungsbetrag.

Es gibt noch viele weitere Budgets für den Umbau der Wohnung, für Hilfsmittel und so weiter. „Pflegebudget“ meint die Bündelung zumindest eines Teils dieser Leistungen. Es wird also eine Summe als Ganzes zur Verfügung gestellt, sodass der pflegebedürftige Angehörige oder der Pflegebedürftige selbst die Möglichkeit hat, zu wählen.

Welche der einzelnen Leistungen im Budget landen, das dann als Gesamt-budget zur Verfügung gestellt wird, darüber gibt es noch keine Klarheit. Da aber das ganze Thema derart komplex ist, würde bereits eine teilweise Bündelung zur Vereinfachung beitragen.

CP: Noch einmal kurz zurück zu Ihrer Aussage, dass Personalmangel die Digitalisierung ausbremst. Das klingt in meinen Ohren paradox. Digitale Prozesse schaffen doch freie Kapazitäten und können Personal entlasten.

LK: Natürlich ist das so, deshalb ist es auch so unverständlich. Entscheidungsträger sind derart mit dem Thema „Personalmangel“ beschäftigt, dass Ihnen Zeit und Raum fehlt, sich um Innovation zu kümmern. Wir haben jahrelang auch Kooperationsgespräche mit Pflegeheimen und Pflegediensten geführt. Da kam häufig die Aussage,

wenn Sie mir jetzt kein Personal bieten können, dann habe ich dafür keinen Kopf, keine Zeit und auch kein Personal.

Personalmangel ist ein großer Bremsklotz für viele Player in dem Segment.

Weiter im Buch…

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