Durch das, subjektiv empfundene, schlechte Management der Coronakrise insbesondere der misslungenen Impfstrategie und den fehlenden Schnelltests wird die Pflegereform 2021 in den Hintergrund gedrängt. Aber auch hier macht, wie ich finde, das Bundesgesundheitsministerium keinen guten Job. Seit dem 4.11. 2020 ist nichts Substantielles mehr kommuniziert worden.

Hier geht es direkt zum YouTube Video zu diesem Thema.

Diese Reform soll doch eine Antwort auf die wichtigste sozialpolitische Frage der nächsten Jahre werden, wenn man sich aber in der Branche zu diesem Thema umhört trifft man allerorts nur auf Fragezeichen, Kenntnislosigkeit und Verärgerung. Tut sich überhaupt noch etwas? Wenn, dann spürbar nur auf Seiten der Reformgegner. Die Pandemie ist endlich, das Pflegethema bleibt und es eskaliert wenn es nicht reformiert wird. Man kann nur hoffen, dass in Berlin auch daran gedacht wird, das ohne Perspektive mehr und mehr Pflegekräfte aussteigen werden; der Pflegebedarf bleibt aber bestehen – falsch – er wird steigen. Das weiß auch das BGM, es hat selbst zum 15.2.21 Zahlen und Fakten zur Pflegeversicherung vorgelegt laut denen die Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen in der sozialen PV (ohne die private PV) von 4,2 Millionen im Jahr 2020 auf 4,8 (2030) bis hin zu 6,1 Millionen im Jahr 2050 ansteigen wird.

Zu den Inhalten der Reform verweise ich auf ein früheres Video.

Mit der Pandemie sind die Pflegekräfte in stationären Einrichtungen automatisch in den Fokus gerückt und damit erneut auch die Missstände in Kliniken und Residenzen. Die dramatisch schlechte Personalausstattung und die damit verbundenen operativen Herausforderungen gerade unter Pandemiebedingungen. Während die Einen an der Front sozusagen ackerten bis an oder über die Belastungsgrenze wurden Verhandlungen über höhere Löhne ausgesetzt, diese sind aber Bestandteil der Pflegereform. Vom psychologischen Effekt mal ganz zu schweigen. Als die Verhandlungen wieder aufgenommen wurden konnten die Tarifergebnisse nicht für allgemein verbindlich erklärt werden weil die katholische Caritas gegen das Vorhaben stimmte und damit fraglich bleibt, ob die Pflegereform das Ziel eines einheitlichen Tariflohnes überhaupt erfüllen kann. Ziel ist es das ab Sommer 2022 durch die Reform Pflegekassen nur noch dann Leistungen mit Pflegediensten und Pflegeheimen abrechnen können, wenn diese Tariflohn zusichern.

Die Grünen bemängeln, für mich völlig zu Recht, dass Pflegekräfte endlich besser als bisher bezahlt werden und die Pflege sofort gute Löhne brauche und nicht erst im Sommer 2022, wie es Spahns Gesetzentwurf vorsieht.

Absolut unverständlich ist zudem, dass in einem Entwurf des Gesetzes zur Pflegereform aus dem Bundesgesundheitsministerium steht dass die Pflegekassen in Ausnahmefällen auch weiterhin Versorgungsverträge mit Pflegeheimen schließen dürfen, die keine Tariflöhne zahlen. Also entweder sollen vom 1. Juli 2022 an nur noch Einrichtungen zugelassen bleiben, die Tarif bezahlen und das auch mit Vehemenz durchgesetzt, oder man ermöglicht Schlupflöcher und stellt damit die Ernsthaftigkeit selbst in Frage.

Spiegel online schreibt von einem »Pflexit und einem Rückgang der Zahl der in der Pflege Beschäftigten zwischen Anfang April und Ende Juli 2020 um mehr als 9000.

Teilweise wurde zwar ein Corona Bonus gezahlt ob der aber in seiner Höhe wirkungsvoll war ist diskutabel, zweitens wirkt er nicht langfristig, Langfristig wirken würde ein Ansatz für bessere Arbeitsbedingungen in stationären Einrichtungen, auch dieser ist Teil der Reform, auch dieser bleibt bisher aus. Der Bonus schien auch kein Selbstläufer zu werden, wenn man Social Media glauben darf musste darum gekämpft werden.

Alles in Allem wird die Zeit immer knapper die Reform im Juli 2021 an den Start zu bringen.

Die Landesregierung Mecklenburg Vorpommern hat im März diesen Jahres einen Antrag für den Bundesrat gestellt und setzt sich für die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung ein und fordert die Mitwirkung der Länder bei einem der wichtigsten sozialpolitischen Vorhaben in den kommenden Jahren. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Länder intensiv in die Erarbeitung der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung einzubeziehen und dafür ein ständiges gemeinsames Arbeitsgremium zu bilden. Man bemerkt dass zahlreiche Leistungsverbesserungen zu erheblich steigenden Kosten innerhalb der Pflege führen. Die Pflegeversicherung aber nur einen Teil dieser Kosten abdeckt womit in der Folge der finanzielle Aufwand für die Pflegebedürftigen enorm gestiegen ist. Die Reform der Pflegeversicherung ist der wichtigste Baustein für eine zukunftsfeste Finanzierung der Pflege und damit auch zur Begrenzung des Eigenanteils, der für viele Pflegebedürftige nicht mehr aus eigenen Mitteln zu leisten ist. Das Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums zur Pflegereform treffe dabei in vielerlei Hinsicht auf fachliche Bedenken und verkenne die unterschiedlichen Voraussetzungen in den einzelnen Ländern.

Man zielt hier u.a. auf die Deckelung des Eigenanteils für die Pflegeheimkosten auf höchstens 700 Euro monatlich und zwar für einen Zeitraum von maximal 3 Jahren ab.

Aktuell liegt der Betrag bei 786 Euro. Der Kostenanteil für die Verpflegung und die Unterbringung (im Schnitt 774 Euro) und die Investitionskosten (455 Euro im Schnitt), sind von der Deckelung nicht betroffen. Der derzeit erreichte Durchschnitt über alle Bundesländer hinweg liegt bei 786 Euro, allerdings bei einer Streuung zwischen 490 Euro in Thüringen bis 1.062 Euro in Baden-Württemberg. Zu beachten ist, dass die Hälfte der Bundesländer den Betrag von 700 Euro nicht erreichen. Warum MVP jetzt interveniert ist klar, das Land liegt bei 602 Euro und profitiert damit nicht von der Deckelung.

In dem Antrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern wird befürchtet dass nur ein Teil der pflegebedürftigen Menschen mit dieser Lösung eine finanzielle Entlastung erfahren wird. Auch weitere Vorschläge im Eckpunktepapier vom November 2020 des Bundesministeriums für Gesundheit bedürfen mit Blick auf bundesweit unterschiedliche Strukturen und Voraussetzungen innerhalb der Pflege für eine Anwendbarkeit in allen Ländern einer Überarbeitung. Damit eine adäquate und entlastende Gesamtlösung für alle Pflegebedürftigen im gesamten Bundesgebiet etabliert werden kann, sind die Länder bereits bei der Entwicklung der Reform umfassend einzubinden. Nachvollziehbar, aber ob bei der vorliegenden Heterogenität eine echte Reform unter dem Strich übrig bleibt ist fraglich, ein laues Lüftchen erzeugt durch einen kleinst möglichen gemeinsamen Nenner wird nicht ausreichen.

Dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) geht ein Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für die Pflegereform hervor, indem der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf  Kritik reagiert hat und sein Konzept zur Entlastung der Pflegeheimbewohner überarbeitet. Darin soll gelten dass der Eigenanteil bei den Pflegekosten im zweiten Jahr im Heim um 25 Prozent reduziert, im dritten Jahr um 50 Prozent und ab dem vierten Jahr dauerhaft um 75 Prozent reduziert wird.

Also im zweiten Jahr um 208 auf 623 Euro, im dritten Jahr um 416 auf 415 Euro und ab dem vierten Jahr um 624 auf 207 Euro. Damit bleibt eine dauerhafte Zahlungsverpflichtung bestehen. Zur Deckung der Kosten soll der Bund einen dauerhaften Steuerzuschuss an die Pflegeversicherung von 5,1 Milliarden Euro zahlen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) begrüßt die geplante Einführung eines Steuerzuschusses aus Bundesmitteln.

Wenn ich richtig informiert bin liegt die durchschnittliche stationäre Verweildauer Heimen/Residenzen nur 1,5 Jahre. Pflegebedürftige haben somit im ersten Jahr weiterhin keine finanziellen Entlastungen die deutlichen Erleichterungen im dritten und vierten Jahr greifen also bei den meisten Pflegeheim Bewohnern überhaupt nicht.

In dem Gesetzentwurf  ist zudem ein neuer Personalschlüssel in den Heimen festgelegt, der zu 20.000 zusätzliche Stellen führen soll.

Verankert in dem Gesetzentwurf ist, dass die Pflegeversicherung künftig nur mit Pflegediensten und Einrichtungen Verträge abschließen darf, die eine Entlohnung nach einem Tarifvertrag oder einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung zahlen. Gibt es das nicht, müsse ein Gehalt gewährleistet sein, das „die Höhe der Entlohnung eines räumlich, zeitlich, fachlich und persönlich anwendbaren Tarifvertrags nicht unterschreitet”. Andernfalls müsse zumindest eine „ortsübliche” Entlohnung gezahlt werden.

Und auch für die Pflege zu Hause soll es Verbesserungen geben. So sollen ambulante Pflegesachleistung, Pflegegeld und Mittel für die Tagespflege in einem ersten Schritt deutlich angehoben und dann jährlich entsprechend der Inflationsrate dynamisiert werden. Was ist deutlich, die sorry für meinen Ausdruck, lächerlichen 5%?

In der Verhinderungspflege gibt es auch in diesem Entwurf keine Verbesserungen, nein, sind Einschränkungen vorgesehen. Pflegebedürftige sollen nur noch 40 Prozent des Budgets für die Verhinderungspflege in Anspruch nehmen können, wenn stundenweise Pflege beauftragt wird. Nach wie vor im Sinne des Grundsatzes ambulant vor stationär indiskutabel. Für Viele heißt das, dass sie sich eine häusliche Pflege organisatorisch wie finanziell nicht mehr leisten können und zum Umzug ins Heim gezwungen werden. Die Petitionen dagegen scheinen ins Leere zu laufen.  Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege wird noch schwerer machbar sein.

Weitere Einschränkungen im ambulanten Bereich sind verankert. Bei gleichzeitiger Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen und Leistungen der Tagespflege soll der Anspruch auf Tagespflege zukünftig auf 50 Prozent begrenzt werden. Gleiches gilt, wenn Pflegesachleistungen und Pflegegeld kombiniert werden, wobei die Pflegesachleistungen mindestens zu 50 Prozent in Anspruch genommen werden müssen. Diese Regelung gab es bereits schon bis Ende 2014 und wurde zum 1.1.2015 aufgehoben.

Das einzige was also unter dem Strich sich seit dem November 2020 getan hat ist, das ein Gesetzesentwurf den Unmut und das Kopfschütteln in Bezug auf die Pflegereform verfestigt hat und die Länder durch den Vorstoß Mecklenburg Vorpommerns Mitsprachrecht fordern. Nicht viel, während die Uhr tickt.