Geschäftsführerin pme Familienservice GmbH

Auszug, das vollständige Interview finden Sie im Buch:

CP: Hat sich die Krise auf Ihren Umsatz ausgewirkt?

AA: Die ersten zwei Wochen hatten wir verheerende Einbrüche. Unsere Anfragen auch im Homecare Eldercare Bereich & Kin­derbetreuungsbereich sind total zurück­gegangen. Danach hat es sich wie­der normalisiert. Ich befürchte, dass wir im Herbst eine große Krise bekommen werden. Viele unserer Vertragsunternehmen leiden unter Corona. Unklar ist, ob diese sich dann noch den Luxus leisten wollen, diese wei­chen Faktoren wie WorkLife zu unter­stützen.

Wenn alles gut geht, werden wir genügend Kunden finden, die das jetzige Angebot aufstocken. Es gibt Branchen, die sind Krisengewinner. Es gibt nicht nur Corona Verlierer und wir bekommen mitt­lerweile einige neue Kunden.

CP: Konzentrieren wir uns auf den Home­care/Eldercare-Bereich: Wie sehen Sie die Zukunft. Was wird auf uns alle und auf Sie bzw. pme zukommen?

AA: Oh Gott. Da will ich gar nicht drüber nachdenken. Das ist so gruselig.

CP: Dann haben Sie ja klare Erwartungen, wenn Sie das so ausdrücken.

AA: Wir können sehen, dass die Situation im pflegerischen Bereich seit drei Jah­ren extrem ätzend ist. Allein das Heim, in dem meine Mutter mittlerweile ist: Hier ist von 100 möglichen Plätzen die Belegung immer weiter runtergegangen. Aktuell sind nur knapp 60 Plätze be­setzt. Der Bedarf ist da, jedoch fehlen die Pflegekräfte – vor allem die exami­nierten. Selbst Pflegekräfte aus dem Ausland sind nicht mehr ausreichend zu gewinnen. Das wird immer schwieriger und keine Besserung in Sicht. Für die Pflege in Deutschland sehe ich ehrlich gesagt sehr schwarz. Man spricht von Erhöhung der Gehälter im Pflegebereich, das ist gut! Ich bezweifle, dass eine bessere Bezahlung alleine schnell aus­reichend Pflegekräfte generiert.

Die Kosten, ob ambulant oder stati­onär, sind schon jetzt sehr hoch. Wenn jetzt die Pflegekräfte besser bezahlt werden, dann wird Pflege teurer. Selbst der Pflegetariflohn ist schon Dum­pinglohn. Ich kann auch die Problematik verstehen, wer die steigenden Kosten zahlen soll? Die Beteiligungen der zu Pflegenden übersteigt schon jetzt bei weitem die vorhandenen Renten – insbe­sondere bei den Frauen.

Ehrlich gesagt hoffe ich, für mich und meine Genera­tion, dass Pflegeroboter endlich so weiterentwickelt werden, dass sie wirk­lich sinnvoll einzusetzen sind. Dass sie Pflegekräfte so entlasten, dass echte Zeit für menschliche Zuwendung bleibt.

CP: Da kommen wir gleich dazu, Frau Ahmad; ich habe noch eine Frage zu den Osteuropäern und den Problemen mit den osteuropäischen Kräften, die Sie angesprochen haben. Warum erwarten Sie, dass der Pool der osteuropäischen Kräfte zurückgeht?

AA: Er ist bereits geschrumpft! Meine Teammitglieder haben im Gegensatz zu vor ein paar Jahren schon jetzt große Gewinnungsprobleme. Früher hatten wir es relativ leicht gut Deutsch spre­chende osteuropäische Pflegerinnen so­gar mit guter Fachkenntnis und Ausbil­dung zu rekrutieren. Wer heute kommt, spricht fast gar kein Deutsch und hat weniger fachliche Qualifikation. Die osteuropäischen Herkunftsländer haben aktuell selbst einen Pflegefachkraft­mangel. Was haben Sie für einen Ein­druck?

CP: Ich sehe das genauso wie Sie. Die Arbeitsanreize in Osteuropa, die Arbeitsanreize im Inland werden immer besser. Die Sozialleistungen und Löhne steigen, und wenn eine Polin z.B. an der Supermarktkasse in Stettin oder Danzig mittlerweile vergleichbar viel, wie in Deutschland im Pflegeeinsatz verdient, ist deren Entscheidung klar: Warum sollte sie für minimal mehr Bezahlung das soziale Umfeld im Heimatland verlassen und Pflegebedürftige in Deutschland versorgen. Das betrifft vor allem die mit einem besseren Bildungsniveau, und damit besseren Sprachkompetenzen. Vielleicht wird es jetzt einen kurzzeitigen Peak geben, weil durch die Corona-Krise die Arbeitslosigkeit ansteigt und der Pool an möglichen Kräften wieder größer wird. Das kann aber nur eine temporäre Entlastung sein, die Tendenz bleibt, wie von Ihnen beschrieben.

AA: Schade, bis ich eine Betreuungs­kraft brauche dauert es noch etwas län­ger, hoffe ich.

CP: Da hoffe ich für Sie und viele an­dere Menschen, dass bis dahin die Ent­wicklung robotischer Systeme Erfolge zu verzeichnen hat.

AA: Da bin ich wirklich enttäuscht. Bei den Androiden hat sich nicht so viel entwickelt in den letzten 15 Jahren.

CP: Oft auch ein Datenschutzproblem.

AA: Datenschutz sollte uns schützen und uns nicht behindern oder schädigen. Das ist ein großes Thema gerade bei der Ent­wicklung unterstützender Pflege- und Betreuungssysteme.

CP: Diese Systeme können ja auch Frei­raum schaffen für wertvolle Betreuungs­zeit.

AA: Yes, Quality Time finde ich ganz wichtig mit älteren Angehörigen. Alles, was nicht Quality ist, sollten wir auf die Technik abwälzen. Da sollten wir jetzt voranschreiten – in großen Schritten und nicht in Ministeps. Bis­her wurde nur Forschung unterstützt – hier muss jetzt Produktion interessant gemacht werden. Die Politik muss das vorantreiben, damit funktionierende und pflegetaugliche Roboter auf den Markt gebracht werden, die erschwinglich sind und schnellen Zugang in den Hilfsmit­telkatalog erhalten.

CP: Gibt es sonst eine Beobachtung, die Sie machen, wo es pflegerelevanten Optimierungsbedarf gibt?

AA: Die ganzen Neubauten, die es gibt. Diese müssten alle behindertengerecht gemacht werden. Das müsste wirklich eine Auflage sein.

Leute, ihr wisst, dass wir immer älter werden. Dann lasst doch keine Neubauten zu, die nicht al­tersgerecht sind.

Am besten wäre es, wenn diese gleich mit unterstützender Robotertechnik ausgestattet wären. Das kostet zunächst viel Geld, aber Ar­beitskräfte werden nicht günstiger und sind sowieso bald gar nicht mehr aus­reichend verfügbar. Ich glaube je länger wir mit wirklich funktionierenden Maßnahmen warten, desto schlimmer wird es, desto teurer wird es und desto unmenschlicher wird es.

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Im Auftrag von mehr als 900 Arbeitgebern unterstützt die pme Familienservice Gruppe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darin, Beruf und Privatleben gelungen zu vereinbaren.  Mit ihrem Homecare-Eldercare-Service entlastet sie Berufstätige bei der Organisation und Finanzierung von Pflegedienstleistungen und bietet psychosoziale Unterstützung.  Die pme Familienservice Gruppe ist an mehr als 70 Orten in Deutschland und Tschechien vertreten und beschäftigt über 1.900 eigene Teammitglieder. Weiter Informationen finden Sie hier. www.familienservice.de